Statements

«Das Bild interessiert Feldmeier nicht als Kunstwerk per se, sondern, im Plural, als eine Art universeller Code zur Vermittlung von Realität und ihrem Verständnis.» (Eva Scharrer)

«Ernsthaft in ihrer Wahl der Themen und erfinderisch in der Umsetzung hält Sonja Feldmeier der Welt ihre Bilder vor. In einer fast beiläufig eingefangenen Strassenszene, in militärischen Mustern oder in der Flut bebilderter Reportagen findet sie den Rohstoff für ihre Recherchen. Ob Video, Installation, Malerei oder Fotografie: Die Künstlerin überprüft die Eigenschaften ihrer Medien und stiftet mit präzisen Kontext-Verschiebungen ein Klima der Irritation und Nachdenklichkeit (Isabel Zürcher)

«In der künstlerischen Praxis Sonja Feldmeiers nimmt das Prinzip des Archivierens einen breiten Raum ein. Mehrere ihrer Arbeiten sind raffinierte Einordnungssysteme von präzis und akribisch gesammelten Bildmaterialien. Sie werden aber nicht einfach nur objektiv zur Betrachtung gestellt, sondern in einen fiktionalen, oft installativen Kontext eingebettet. Dadurch werden sie zu Setzkasten-Elementen für die Entwicklung einer komplexeren Narration mit räumlichen Eigenschaften.» (Giovanni Carmine)

«Im Fokus der Arbeiten von Sonja Feldmeier stehen politische und gesellschaftliche Fragestellungen, das Interesse Bilder zu finden, die das Potential haben, Risse im konventionellen Gefüge aufzuzeigen und die wahre Natur gesellschaftlicher Verhaltensweisen aufzudecken.» (Claudia Spinelli)

«Räume lassen sich besetzen, sei es physisch oder mental, bildlich, sprachlich oder akustisch. Doch wie sind die Zwischenbereiche beschaffen, an denen sich eine Zone von der anderen scheidet? Über welche Bilder und Vorstellungen verfügen wir, wenn es um diese diffusen, transitorischen Areale geht? Sonja Feldmeier entwickelt seit mehreren Jahren Arbeiten, welche diese Fragen aufgreifen und so am Schorf unserer bildlastigen Kultur kratzen.» (Irene Müller)




Statement Sonja Feldmeier


Seit 2000 verbringe ich einen Gutteil meines Lebens in Grossstädten (New York, Berlin, Los Angeles, Tokio, London, Delhi). Die jeweils kleinen Ateliers veranlassten mich, meinen Arbeitsraum auf das urbane Gefüge zu erstrecken. Durch die Öffnung meines Arbeitsfeldes und die Vereinnahmung der Stadtstrukturen entwickelte ich neue Arbeitsmethoden und begann, auf ausgedehnten Streifzügen Bildmaterial zu sammeln. So habe ich mir im Lauf der letzten Jahre ein umfangreiches Foto- und Videoarchiv angelegt. Die mit der Kamera eingefangenen Alltagssituationen und -fragmente bilden das Grundmaterial für meine Videoarbeiten. Schauplätze und Aktionen unwissentlicher Akteure, die einander nie begegnet sind, werden zu Geschichten verwoben und zeigen eine montierte Realität. Die verschiedenen Foto- und Bildersammlungen sowie das Videoarchiv speise ich fortlaufend aus unterschiedlichen Quellen. Sie dienen mir als Ideenfundus, als Bausteine oder als Auslöser für spezifische Arbeiten.

Indem ich Bilder aus ihrer gewohnten Umgebung schäle und sie in neue Strukturen einbette, löst sich ihre Bindung an eine bestimmte Form oder einen Autor auf. Mich interessiert, was bei einer Neuordnung passiert, wie Bild und Bedeutung sich im neuen Umfeld ändern. Zunächst suche ich Bilder dort, wo sie medialisiert auftauchen, und befrage sie nach ihrem Status. Ich suche also Zusammenhänge, in denen die Interpretation von Bildern als selbstverständlich erscheint. Indem ich die Bilder aus diesem interpretativ vorgegebenen Zusammenhang herauslöse, sie neu gruppiere oder in andere Bildsysteme überführe, fällt diese Selbstverständlichkeit in sich zusammen. Bei Arbeiten wie Meter hinter dem Meeresspiegel führen erst mehrere Transformationsvorgänge zum finalen Werk: einer Landkarte eines fiktiven Territoriums. Die vorgebliche Wahrheit der Bildinhalte verliert ihre Gültigkeit und die frei gewordenen Bedeutungsträger innerhalb des Bildes können neu besetzt werden.

Meine Arbeit ist nicht an ein bestimmtes Medium gebunden. Material und Medium sind Teil der Aussage, der Geschichte, des Werks. Ich suche nach der Form, die das Thema der Arbeit stimmig transportiert. Um die adäquate Form des Themas – meine «Bildträger» – zu finden, sind für jedes Werk spezifische Transformationsprozesse vonnöten. Der damit verbundene Arbeitsaufwand fliesst mit seiner jeweiligen Eigenart in den künstlerischen Prozess ein und prägt die Arbeit formal und inhaltlich mit.

Der Prozess von Ablösung und Transformation eines Bildes vollendet sich beim Betrachter. Ein weiteres Mal wird es aus seinem Präsentationskontext gelöst und auf die Netzhaut projiziert. Von seiner Materialität wieder entbunden, soll es bei der Betrachtung ein gedankentaugliches Bildmodell evozieren.

Das Bild selbst ist in seiner Gestalt immer stärker als das, was von Betrachtenden, Nutzern und Interpretinnen an es herangetragen wird. Das Bild markiert eine Grenze, eine durchlässige, unsichtbare Schwelle. Vor dieser Schwelle steht die Gesellschaft, die Politik, die Interpretation, das Interesse. Dahinter beginnt etwas anderes.

Sonja Feldmeier